Von den ‚jungen Wilden’ zur Popart-Ikone
Das Jahr 1955 markiert für viele Musikhistoriker den Startpunkt des Rock’n’Roll und brachte eine ganz eigene Riege an neuen Stars hervor, die mit den alten Traditionen brachen und sich auf die Suche nach neuen Lebensstilen und Klängen begaben.
So waren es Musiklegenden wie Buddy Holly oder Richie Valens, die der Stratocaster zu erstem Ruhm verhelfen sollte.
Buddy Holly mit seiner Strat, circa 1957
Auch wenn es noch einige Jahre dauern sollte, bis die Stratocaster ihre Vorgängerin, die Telecaster, in Punkto Verkaufszahlen übertraf, war Fender mit dieser neuen Gitarre ein Meilenstein gelungen und ihre außergewöhnliche Konstruktion und Vielseitigkeit, zementierte seinen Ruf als genialen Tüftler.
Die Stratocaster war bei ihrer Markteinführung revolutionär in Sachen Technik und Optik. In den nächsten Jahren mauserte sie sich zur beliebtesten und am meisten kopierten E-Gitarre der Welt. Ähnlich der berühmten Coca-Cola Flasche hat sich, neben dem Klang, auch ihre Form in das kulturelle Langzeitgedächtnis unserer Zivilisation eingebrannt. Wäre Leo Fender nicht ein eher technisch orientierter Mensch gewesen, könnte man glauben, die Stratocaster wäre in ihrer revolutionären und futuristischen Erscheinung, von einem avantgardistischen Pop-Art Künstler erdacht worden.
Bis heute hat sie die Geschichte der Populärmusik nachhaltig beeinflusst, auch wenn ihre Beliebtheit gelegentlich zu schwinden schien, so hat sie es immer wieder geschafft, ihren Platz an der Spitze zurückzuerbobern und wird in unzähligen Variationen und Preisklassen bis heute immer wieder neu aufgelegt.
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Ein früher Prototyp der Stratocaster, den wir euch hoffentlich schon in einer der nächsten Ausgaben vorstellen dürfen.
Exkurs - Die Entstehung der Fender Stratocaster
16.1 Enstehungsgeschichte der Fender Stratocaster
Eine neue Gitarre für eine neue Musik.
Ein Aufsatz über die frühe Stratocaster
Wie alles begann…
Wir befinden uns in der ersten Hälfte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Der gesellschaftliche Wohlstand und der Fortschrittsglaube, in der westlichen Welt, steigen unaufhörlich an und am Horizont der kulturellen Zeitgeschichte dämmert die erste richtige Jugendbewegung in Form des ‚Rock and Roll‘.
Schon seit knapp zwanzig Jahren hatte es vor allem in der Jazz-Szene immer wieder Versuche gegeben, eine Gitarre zu entwickeln, die durch elektrische Verstärkung, eine Lautstärke erreichen konnte, mit der sie mit den großen Big Bands der damaligen Zeit mithalten konnte.
Die meisten dieser Versuche waren von vornherein zum Scheitern verurteilt, da die, mit einem oder mehreren Tonabnehmern ausgestatteten Jazzgitarren, aufgrund ihrer hohlen Klangkörper zu extremen Rückkopplungen neigten.
Zu den Pionieren, die sich an die Elektrifizierung erwähnter Instrumente wagten, gehörten in den 30er und 40er Jahren, Tüftler und Musiker wie Adolph Rickenbacker, George Beauchamp, Les Paul oder Epaminondas „Epi“ Stathopuolo.
Den großen Durchbruch in Sachen verstärkte Gitarren, gelang jedoch ausgerechnet einem Radiotechniker aus Fullerton, in Kalifornien, der selber noch nicht einmal ein Instrument spielen konnte.
Im Jahr 1950 brachte Leo Fender die erste, mit elektromagnetischen Tonabnehmern verstärkte E-Gitarre, die Fender Telecaster, auf den Markt.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, verzichtete Fender komplett auf eine Klangkammer im Korpus, wodurch die Feedback-Anfälligkeit des Instruments minimiert und es somit auch auf lauten Bühnen problemlos gespielt werden konnte.
Zudem war die Konstruktion der Telecaster simpel gehalten, so dass auch angelernte Arbeitskräfte, ohne spezielle Ausbildung, sie schon nach kurzer Anleitung zusammenbauen konnten. Dies war ein weiterer Vorteil von Fenders Konstruktion: Es war nun möglich, große Mengen dieser Instrumente in Massenproduktion herzustellen und trotzdem eine hohe Qualität zu einem relativ geringen Preis zu gewährleisten.
Doch die Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahre 1952 stellte Gibson mit dem neuartigen Les Paul-Modell, seine eigene Solidbody E-Gitarre mit vergleichbaren Eigenschaften vor. Im Gegensatz zu Fender, der mit seiner Erfindung vor allem die Country & Western Szene bediente, richtete sich die Les Paul eher an Jazz- und Blues-Gitarristen. Dennoch musste Leo Fender auf der Hut sein, um nicht von der mächtigen Konkurrenz aus dem Hause Gibson eingeholt oder gar abgehängt zu werden.
Fender begann also mit der Konstruktion eines zweiten E-Gitarren-Modells, mit dem er die Telecaster in Punkto Spielbarkeit und Komfort, noch übertreffen wollte.
Ein Kind mit mehreren Vätern !?
In Fullerton, Kalifornien standen ihm dabei Bill Carson, Freddie Tavares, George Fullerton und Rex Gallion zur Seite – Freunde, Angestellte und Musiker, die ihre Ideen und ihr Know-How in die Konstruktion des neuen Modells einfließen lassen sollten.
Die Korpusform der Neuentwicklung orientierte sich grob am Vorgängermodell, war allerdings inspiriert vom zeitgenössischen Geschmack der 50er Jahre. Die weiche, rundliche Form, erinnert an die Automodelle der damaligen Zeit – man denke nur an die berühmten klassischen Cadillacs, mit ihren ausladenden Formen und gigantischen Heckflossen. Durch zwei Cutaways bzw. „Hörner“, war eine optimale Bespielbarkeit, durch müheloses Erreichen aller Bünde gewährleistet.
Die Form der Telecaster wurde von vielen Gitarristen als scharfkantig und eckig empfunden. Bei längerer Spieldauer machte sich dies unangenehm bemerkbar. Einige Gitarristen schliffen daraufhin die Kanten des Instruments etwas ab, damit es sich bequemer spielen ließ.
Leo Fender kam dies zu Ohren und er beschloss sein Nachfolgemodell um einiges anschmiegsamer und abgerundeter zu gestalten. Die Rückseite des Korpus war nun so gestaltet, dass er nicht mehr auf die Rippen oder den Bauch des Spielers drückte.
Für die mühelose Auflage des rechten Armes wurde auf der Vorderseite ebenfalls gesorgt. Ein weiterer Makel der Telecaster, der von Leo Fender berichtigt wurde, war die unten an der Zarge angesetzte Klinkenbuchse – oft brach diese mit eingestecktem Kabel ab oder riss aus, wenn die Gitarre umkippte oder unvorsichtig angelehnt wurde.
Die Reparaturen dieser Art häuften sich. Leo entschied sich dafür, die Klinkenbuchse seines neuen Modells nicht mehr an der Zarge, sondern schräg auf der Korpusoberseite anzubringen, was unter den genannten Gesichtspunkten eine signifikante Verbesserung darstellte.
Das entscheidendste Feature des neuen Modells sollte allerdings die Klangvielfalt sein. Hierzu ließ Fender sich von befreundeten Musikern beraten. Kurzzeitig war es im Gespräch, das neue Modell mit fünf Tonabnehmern auszustatten. Dies erschien Leo aber zu übertrieben und zu kostspielig, also entschied man sich gemeinsam dafür, lediglich drei Single Coil Tonabnehmer zu verwenden, die über einen Schalter, sowie zwei Tone- und Volumepoti bedient werden sollten.
Eine weitere Neuerung stellte das Tremolo- bzw. Vibratosystem dar. Hier ging Fender wieder einmal eigene Wege und konstruierte eine vollkommen neue Bridge, die es in dieser Form vorher noch nicht gegeben hatte.
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Zurück ans Reißbrett
Die erste Version dieser neuen Bridge sollte sich allerdings als eine Fehlkonstruktion herausstellen, die die Gitarre blechern und dünn klingen ließ. Musiker, denen Fender einen Prototyp der neuen Gitarre aushändigte, mochten die Bridgekonstruktion überhaupt nicht.
Leo hatte sich dazu an den beliebten Bigsby Vibratosystemen orientiert und versuchte ein ähnliches System aus dünnem Blech nachzubilden. Die dazu passende Bridge bestand ebenfalls aus Blech, welche die Saiten über kleine Rollen führte, um die entstehende Reibung zu minimieren.
Kurioserweise war Fender von dieser Konstruktion im Vorfeld so überzeugt, dass er große Mengen des benötigten Blechs, in Form von großen Rollen bestellte, die im Werk in Fullerton noch über viele Jahre im Lager ungenutzt herum lagen.
Der größte Rückschlag durch das schlecht konstruierte Vibratosystem war jedoch die Tatsache, dass es Fender ein ganzes Jahr kostete, bis er ein neues, verbessertes System konstruiert hatte, das den Klang des neuen Modells nicht negativ beeinflusste.
Ursprünglich hatte Leo geplant, das neue Modell bereits im Jahr 1953 zur Marktreife zu bringen, woraus aus den geschilderten Gründen aber nichts wurde. Man kann von Glück sprechen, dass er sich nicht nur auf sein eigenes Gespür verließ, sondern verschiedene Berufsmusiker in die Entwicklung mit einbezog. Ansonsten hätte sich das neue Modell in einen großen Misserfolg verwandeln können.
Auch wenn Leo ein brillanter Tüftler und Konstrukteur gewesen sein mag, ein Musiker war er, wie gesagt nicht.
Fender begann also im Laufe des Jahres 1953 mit der Konstruktion einer neuen Bridge mit Vibrato. Im Gegensatz zur Telecaster, bei der die Saiten durch den Korpus geführt werden, finden die Saitenenden in der neuen Konstruktion in einem Stahlblock, halt, der von Metallfedern an einer „Kralle“ auf der Rückseite des Korpus gehalten wird. Die Saiten liegen auf sechs einzelnen Reitern der Bridge, die sich individuell justieren lassen.
Bild links - offenes Trem-Fach mit Stahlblock, Federn und „Kralle"
Zur Bedienung des Tremolos diente, wie bei Modellen anderer Hersteller auch, ein an der Bridge eingesteckter Hebel, welcher bis heute scherzhaft gerne als „Jammerhaken“ bzw. „whammy bar“ bezeichnet wird.
Von der neuen Konstruktion überzeugt, startete Fender einen zweiten Versuch und begann im Laufe des Jahre 1954 mit der Produktion der neuen Gitarre, die er auf den Namen ‚Stratocaster‘ (kurz: ‚Strat’) taufte. Einerseits bezog sich der Name auf den Vorgänger Telecaster, andererseits auf das Wort ‚Stratospähre‘ – zu Beginn des Raumfahrt- und Fernsehzeitalters klang dies hochmodern, geradezu futuristisch.
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Was lange währt…
Im April 1954 tauchten die ersten Werbeanzeigen für die Stratocaster in der Fachpresse auf. Der Verkaufspreis lag bei 249 US$ - damit war sie 60 US$ teurer als die Telecaster.
Gemessen an den Einkommensverhältnissen der 50er Jahre, war dies eine hohe Summe und nicht für jeden erschwinglich. Allerdings erwarb der Käufer mit der Stratocaster ein qualitativ hochwertiges und gut spielbares Instrument, mit hohem Wiedererkennungswert.
Die einzige Farbmöglichkeit war zu Beginn lediglich ein ‚two-tone-sunburst‘-Nitrofinish, mit freiem Blick auf den Eschekorpus. Der Plan, auch deckende Lackierung serienmäßig anzubieten, wurde schnell wieder verworfen. Dennoch wurden vereinzelnt Gitarren auf Kundenwunsch in der Wunschfarbe lackiert.
Im Bild links - eine 54er Stratocaster in Daphne Blue.
Geordert wurde diese Gitarre von einem bekannten Big-Band Musiker. Links dessen Sohn, der die Gitarre an Joe Menza (rechts) verkaufte.
In den folgenden Jahren bot Fender seinen Kunden verschiedene „Custom Colors“ nach Wunsch an, welche mit Farben des Lackproduzenten Dupont realisiert wurden. Legendär sind neben den SB- Finishes, weitere Farbvarianten wie ‚lake placid blue‘, ‚candy apple red‘, ‚sonic blue‘, ‚olympic white‘, und einige mehr – diese sollten aber ihren offiziellen Einzug in den Fender Katalog erst in den 60er Jahren erhalten.
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Ursprünglich hatte Leo Fender geplant, den Korpus der Stratocaster aus zwei bis drei zusammengeleimten Escheteilen zu produzieren. Dies war aber - je nach Lagerbestand und Kundengeschmack - nicht immer möglich.
Im Laufe der Jahre gab es einteilige, sowie aus vielen Teilen zusammengesetzte Modelle.
Wurde in der ersten Zeit noch Esche als Korpus- und Ahorn als Hals- und Griffbrettmaterial verwendet, so wich Fender ab 1956 auf Erle für den Korpus und ab 1959 auf Palisander für das Griffebrett aus.
Einerseits war dies dem Geschmack der Zeit geschuldet, andererseits war Leo aber auch ein Pragmatiker: Er bevorzugte Materialien die günstig und in großen Mengen zu bekommen waren. Esche und Erle waren als harte Hölzer, vor dem großen Erfolg von Fenders Instrumenten, nicht als Tonhölzer bekannt. Traditionell wurde bei Gibson beispielsweise das weichere und gleichmäßiger gewachsene Mahagoni verwendet.
Vor allem im Jahr 1954 experimentierte Leo noch, was Form, Materialien und Konstruktion der Stratocaster anging. So lässt sich nur schwierig ein homogenes Bild der „Ur-Strat“ zeichnen. Auch die Tonabnehmer jener Jahre sind nicht so einheitlich wie heute, in Zeiten von präziser, maschineller Scatterwound-Produktion. Je nachdem, welcher Arbeiter gerade einen Pickup herstellte, konnte die Wicklung sich individuell leicht unterscheiden, was sich auch auf den Klang und die Qualität des Tonabnehmers auswirkte.
Der Klang der ersten Stratocaster Pickups ist als eher output-schwach, mittenarm, metallisch, mit betonten Höhen und Bässen zu bezeichnen.
Nicht ganz so knochentrocken und holzig wie der einer Telecaster, aber trotzdem für die twangige Country und Western Musik jener Jahre sehr gut geeignet.
Ursprünglich konnte der Spieler mit einem Dreiweg-Schalter zwischen den einzelnen Pickups wählen. Mit der Zeit fanden findige Musiker jedoch heraus, dass sie, mit ein wenig Geschick, den Hebel des Schalters in eine Zwischenposition bringen konnten, so dass es möglich war, zwei Tonabnehmer gleichzeitig anzuwählen, wodurch ein weicher, süßlicher Klang entstand.
Es sollte allerdings bei erscheinen der ersten Stratocaster noch über zwanzig Jahre dauern, bis das erste Modell mit Fünfweg-Schalter auf den Markt kam. Hier war der japanische Gitarrenhersteller Ibanez der Vorreiter, der in den 70er Jahren solch einen Schalter als erster entwickelte.
Leo Fender stellte sich zeitlebens stur und bezeichnete den Klang der Zwischenpositionen als ‚unsauber‘, so war der geneigte Stratspieler bis Ende der 70er Jahre darauf angewiesen, mit Klebeband oder Streichhölzern die begehrte Hebelstellung zu fixieren.
Ursprünglich für Country-Musik konzipiert, wurde die Stratocaster auch in der aufkeimenden Rock’n’Roll-Szene beliebt. Zusätzlich zur eigenen Musik, Mode und Identität, bekam die junge Generation von Fender quasi ein für sie maßgeschneidertes Instrument. Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können.