Exkurs - Fender Electric XII
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Beinahe hätte Leo Fender einen großen Trend nahezu verschlafen. Mitte der Sechziger dominierte Rickenbacker den Markt der 12-saitigen E-Gitarren. Kein Wunder. Leute wie George Harrison, John Lennon, Roger Mc Guinn von den Byrds, aber auch ein Pete Townsend sorgten für den großen Erfolg der legendären 360/12
Nun ist anzunehmen, dass auch Fender seinen Anteil vom mehr oder weniger großen Kuchen abhaben wollte. Zudem versprach der boomende Markt der Folk-Rock-Music große Gewinne und beste Marktchancen für eine unproblematische und robuste Solidbody-Gitarre mit 12 Saiten.
Im Gegensatz zu den Gitarren der Konkurrenz konstruierte Leo Fender von Anfang an ein beinahe eigenständiges 12-saitiges E-Modell.Rickenbackers 360/12 basierte dagegen auf dem konventionellen sechssaitigen Halbakkustikmodell, der 360/6Einzig die Form des Body-Styles orientierte sich an dem der Jazzmaster u. Jaguar. Heute spricht man unter Kennern vom „Offset Style“.
Auch die Form des Headstockes war eine eigenständige Entwicklung, Übrigens tauchte dieser Hals - leicht abgewandelt - um 66/67 und später auch an der Wildwood II und an der „Villager“ genannten Akkustikgitarre mit 12 Saiten auf. 1967 wurde auch eine 12-saitige Coronado II mit genau diesem Hals angeboten.
Auf Grund der ungewöhnlichen Form, fand sich auch schnell ein Spitzname für die Electric XII - „Hockey-Stick“.Im Gegensatz zu den Produkten der Konkurrenz konnte man die Tuner dieser Gitarre ohne größere Probleme erreichen und bedienen. Die Kopfplatte war lang genug um je 6 Tuner - in unserem Falle „F-Tuner“ der ersten Generation, oben und unten aneinander zu reihen. Übrigens wurden die frühen Modelle der Electric XII (1965) mit Klusons Doubleliner Tuner konfektioniert. Unsere Gitarre aus 66 ist, wie bereits erwähnt, mit den damals brandneuen „F-Tunern“ ausgestattet. Die meisten Saiten wurden nach den Tunern durch einen Saitenniederhalter geführt, der mit vielen kleinen Löchern ausgestattet war, bevor sie im Anschluss über eine filligran gearbeitete Nut mit 12 feinen Einkerbungen über das Griffbrett gelenkt wurden.
Auf Grund der ungewöhnlichen Form, fand sich auch schnell ein Spitzname für die Electric XII - „Hockey-Stick“.
Der verhältnismäßig breite Hals der E 12 wurde mit einem sehr feinen gut bespielbaren Griffbrett mit etwas stärkeren Bünden ausgestattet. Das Palisandergriffbrett verfügt über feine Maserungen. Die Dots am 12. Bund stehen relativ nahe beieinander.
Wie bei den meisten Fender-Gitarren jener Jahre üblich, befindet sich am Halsfuß der Produktionsstempel12 = ModellbezeichnungMar = März66 = 1966B = Breite des Halses an der Nut
Der Hals ist wie bei der Stratocaster mit 4 Schrauben am Body befestigt. In die verchromte Halsplatte ist eine Seriennummer geprägt.
Leo Fender begann höchstwahrscheinlich erst 1965 mit der Konstruktion. Wie bereits beschrieben, griff er dabei nicht einfach in die Kiste, um die Electric XII zu bauen. Von Anfang an wurde eine Gitarre um die 12 Saiten herum entwickelt und gebaut, die unserer Meinung nach - insbesondere technisch gesehen - allen Konkurrenzprodukten überlegen war. Klanglich ist diese Gitarre ein echter Leckerbissen. Wer das Intro der Studioversion von „Stairway to Heaven“ kennt - und ich denke, dass das jeder hier schon mal gehört hat, der weiß wie eine Xii klingt. Denn damit spielte Page die ganze Geschichte ein.
Die E 12 ist in vielerlei Hinsicht als genial zu beizeichnen. Hier hat Leo wirklich noch einmal gezeigt, zu welchen Meisterleistungen er in der Lage war. Die Electric XII wurde mit splitbaren Pickups ausgestattet, die 4 wunderbare Klangvarianten ermöglichten. Eingestellt wurden diese Klangvarianten über einen Hebel, der gut erreichbar, im Bereich des unteren Horns, auf dem Tortoise-Pickguard angebracht wurde.
Damit waren die folgenden 4 Einstellungen möglich:
- Neckpickup- Neck- und Bridgepu in Serie- Neck- und Bridgepu paralell- Bridgepickup
Wie bei den Hardtailmodellen der Stratocaster oder der Telecaster, wurden die 12 Saiten von hinten durch den Body geführt, was die Klangeigenschaften der Electric XII positiv beeinflusste. Die Gitarre verfügt über ein wunderbares Sustain.
Das aufwendigste Teil dieser interessanten Gitarre ist sicherlich die aufwendig konstruierte Bridge. Ein Meisterwerk Fenders.
Doch zunächst - ein paar interessante Hinweise darauf, wer diese Electric XII nutzte:
Tim Buckley - div., Jimmy Page - Stairway to Heaven und andere, Pete Townshend - Tommy, Jeff Beck - Bolero, Johnny Winter - div. (bespannt mit 6 Saiten), Tom Petty usw. usw. usw.
Zurück zur Gitarre.
Werfen wir doch erst einmal einen Blick auf diese aufwendige Bridge.
Ähnlich wie bei der Jazzmaster oder der Telecaster laufen die Saiten zunächst durch den Body. Über 12 Bohrungen gelangen die Saiten anschließend durch die Grundplatte (Stahlblech) der Bridgekonstruktion. Dort werden Sie über 12 einstellbare Saitenreiter geführt. Diese unterschiedlich großen „Rädchen“ besitzen seitlich eine Begrenzung, die das Verschieben der Saiten verhindern soll. Durch die Mitte dieser Saitenreiter führt eine Bohrung mit einem Gewinde für die Einstellschraube zum Justieren der Intonation. So kann die Länge jeder einzelnen Saiten eingestellt werden.
Auch die Höhe der Saitenreiter ist einstellbar. Auf dem folgenden Bild ist der separate Block, auf dem die Saitenreiter aufliegen gut erkennbar. Dieser Block ist über zwei Imbusschrauben höhenverstellbar. Unter dem Block liegt ein mit 2 Schrauben befestigtes Stahlblech. Eine genial einfache Konstruktion. Funktionell und preiswert zu produzieren.
Auf dem nächsten Bild (links) sehen wir die montierte Bridge. Davor liegt das Routing für die Pickups und die Verbindungskabel. Der ausgefräste Bereich wurde zur Abschirmung und zur Erdung mit einem dünnen Messingblech ausgekleidet. Am unteren rechten Bildrand sind zwei der vier Pu´s sowie der Tonwahlschalter, der übrigens am Pickguard verschraubt, nochmals mit einem Blech abgeschirmt ist, gut sichtbar. Die Kabel sind mit schwarzen und ecru-farbenen Garn umwoben, so wie wir das auch von der Stratocaster und anderen Fender-Gitarren jener Zeit kennen.
Über eine Bohrung, die das Pickup-Fach mit dem dahinter liegenden Fach für die Potis verbindet, gelangen die Kabel zum Volumen- und zum Tonpoti und schließlich zum Plug. Potis und Plug sitzen, wie bei vielen anderen Gitarren aus Fenders Feder, auf und unter einem verchromten Stahlblech.
Centralabs-Potis zur Steuerung der Lautstärke und des tones. Solche Potis sind relativ selten in Fenders Gitarren zu finden. Interessanterweise verbirgt ein Aufkleber auf dem Gehäuse ein Loch, das den Blick ins Innere des Potentiometers ermöglichen würde. Der Poti besitzt keine Prägung (Poticodes) am Gehäuse, die das Alter verraten würde. Ab und an habe ich auch schon Stratocaster mit einem solchen Poti gesehen. Wie bereits beschrieben - sehr selten.
Die Knöpfe zur Ansteuerung sind aus schwarzen Plastik. Sie besitzen eine Skala von 1 bis 10 und sind mit einer Schlitzschraube fest an der Potiwelle befestigt.
Wunderschön, wie die Farben des Tortoise-Pickguards mit der Nitrolackierung des Bodies harmoniert. Das Pickguard ist dreilagig. Die Unterseite weiß.
Die Sunburst-Lackierung strahlt in herrlich warmen und leuchtenden Farbtönen.
Erst nach dem Entfernen des Pickguards ist ein leichtes Fading der roten Farbpigmente erkennbar. Traditionelle Grundierung - “Yellow Stain“ (wörtliche Übersetzung - gelber Fleck)
So - allerhöchste Zeit - bauen wir die Electric XII wieder zusammen. Dass das bei den vielen Schrauben des Pickguards etwas länger dauert, liegt auf der Hand. Hals auspendeln - Schrauben anziehen - fertig !
Nö - nicht fertig. Da müssen noch 12 Saiten dran und das dauert logischerweise mindestens doppelt so lange wie bei einem 6-saitigen Gitarrenmodell. Dank der funktionellen Kopfplatte ist das Aufziehen der Saiten problemlos. Wer schon eine 12-saitige Rickenbacker neu besaiten musste, der weiß wie kniffelig das werden kann. Bei der Electric XII geht alles wunderbar einfach von der Hand. Ach, da fällt mir ein, dass Fender die XII schon 68 wieder aus der Produktion nahm. Von einem großen Erfolg kann man somit nicht ausgehen. Um so interessanter für den Sammler, denn die XII ist sehr sehr selten.
So, Amp vorheizen - Kabel rein - und aaaaaaaahhh. Sie klingt traumhaft ! Tut mir leid, ich kann den Klang dieser Gitarre nicht in Worte fassen. Aber Leute - ihr kennt ja alle „Stairway to Heaven“ :-)
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